Morph Cuts bei Adobe Premiere Pro CC – Lizenz zum Betrügen?

Adobe wird in die neuste Version seines Schnittprogramms Premiere CC ein Feature implementieren, das das Schneiden von Interviews ungemein erleichtern wird. Mit dem sogenannten Morph Cut lassen sich Schnitte in einer Sequenz kaschieren.

Gerade für die Bearbeitung von statischen Interviews wird dies hilfreich sein: Wenn ich derzeit in der Mitte eines Interviews einen Satz oder Versprecher herausschneide, ist für jeden Zuschauer sofort erkennbar, dass ein Stück fehlt. Das Bild springt im Moment des Schnitts. Normalerweise werden solche Schnitte kaschiert, indem man ein anderes Bild über den Schnitt legt. Der Zuschauer sieht im Moment des Schnittes einfach etwas anderes, zum Beispiel etwas, worüber gerade geredet wird. Der Ton läuft kontinuierlich weiter, sodass man das Gefühl hat, die Sätze wären in dieser Reihenfolge gesprochen worden.

Fehlen die passenden Bilder zum darüberlegen, weichen die meisten Videomacher auf Weißblitze aus. Im Moment des Schnitts blitzt das Bild kurz weiß, so als hätte jemand ein Foto mit Blitz geschossen. Das ist nicht besonders schön, hat aber besonders im seriösen Videojournalismus einen deutlichen Vorteil. Ich als Videoproduzent weise deutlich darauf hin, dass hier geschnitten wurde. Genau das, was man sonst vermeiden will, nämlich Schnitte betonen, ergibt hier durchaus Sinn. Ich mache deutlich, dass ich mein Interview in keinem Fall aus dem Kontext reißen will. Ich habe den Schnitt mit dem Weißblitz lediglich etwas schöner gemacht.

Mit Morph Cuts, dem neuen Effekt in Premiere CC wird das jetzt anders. Per Morphing wird der Übergang von einer Sequenz in die andere unsichtbar gemacht. Adobe nutzt hierfür nach eigenen Aussagen Gesichtserkennung und Interpolationstechniken und errechnet so Zwischenbilder, die den Übergang weich und gleichmäßig aussehen lassen. Ohne Sprung, darüber gelegtes Bild oder Weißblitz wird der Schnitt dadurch praktisch unsichtbar.

Morph Cuts sind ein tolles Tool, mit dem jedes geschnittene Interview bestimmt an Eleganz gewinnt. Gleichzeitig geben Effekte wie dieser Videomachern alle Möglichkeiten, ihre Zuschauer nach Strich und Faden zu betrügen und Interviews zu verfälschen. Der Zuschauer nimmt die Manipulation nicht einmal wahr.

Das Software-Update, das Morph Cuts enthält, ist noch nicht veröffentlicht. In der Praxis wird sich zeigen, wie gut der Effekt wirklich funktioniert und wie leicht es tatsächlich ist, Schnitte zu kaschieren.

Wenn ihr tiefer in Adobe Premiere einsteigen wollt, schaut euch doch mal meinen Adobe-Premiere-Kurs an. Ich bringe euch gerne alle Tricks und Kniffe des Schnittprogramms bei.

Posted by Michael Netsch

1 comment

[…] Zeit habe ich hier im Blog gemutmaßt, wie man den angekündigten Premiere-Pro-Schnitteffekt „Morph Cuts“ zum Manipulieren von Interviews einsetzen könnte. Inzwischen ist das Software-Update veröffentlicht und ich habe den Effekt […]

Schreibe einen Kommentar