Vom Oktober 2019 bis Februar 2020 habe ich am R&D Fellowship des Media Lab Bayern teilgenommen. Dieses Programm ermöglicht Medienschaffenden, sich einmal für eine längere Zeit mit einer Herausforderung im Medienbereich zu beschäftigen. Ich habe mich dazu entschieden, mir den Themenkomplex Mobile Stories näher anzusehen.
Denn obwohl der mobile Traffic von News-Webseiten seit vielen Jahren kontinuierlich ansteigt, sind die Unternehmungen der Verlage dort noch recht verhalten und wenig innovativ. Eine mobile Website und eine App haben die meisten. Doch in so gut wie allen Fällen sind diese nur Mini-Versionen der Website, die es schon so oder so ähnlich Anfang der 00er-Jahre gegeben hat. Und die ist im Endeffekt nur ein Abklatsch der guten alten Zeitungsseite: Headlines, kurze Teasertexte, Fotos. Viel vom Altbewährten. Keine neue Aufbereitungsform für die neuartige Nutzung auf Mobilgeräten.
Nun haben wir seit einigen Jahren mit Mobilen Stories, wie zum Beispiel bei Snapchat oder Instagram Darstellungsformen, die komplett vom Mobilgerät her gedacht sind und sich viel besser für diese Nutzungssituation eignen. Dieses Themengebiet habe ich mir in meiner Zeit beim Media Lab näher angesehen.
Höhepunkt des Projekts war ein zweiwöchiger Test, bei dem ich die Instagram-Stories des Münchner Lokalradiosenders M94,5 bespielt habe. In meiner gesamten Medien-Laufbahn hat es sich immer wieder ausgezahlt, viel zu experimentieren – und das nicht nur innerhalb der eigenen Komfort-Zone. Besonders die Versuche, an deren positiven Ausgang man selber nicht glaubte, brachten oft höchst interessante Ergebnisse hervor. In der Zeit bei M94,5 habe ich bewusst Dinge ausprobiert, an die ich selbst nicht geglaubt habe, dass sie funktionieren. Dabei habe ich mich von all dem gelöst, was Influencer und selbsternannte Social-Media-Experten als unbedingte Must Haves für Mobile Stories propagieren, z.B. einen menschlichen Host, Authentizität, einen Medien-Mix aus Videos, Fotos, Boomerangs und Stickern, eine überschaubare Länge, nicht zu viel Text etc.
Beispielsweise haben wir an einem Tag in diesem Zeitraum einen kompletten Blogpost als Instagram-Story veröffentlicht und den Handy-Bildschirm seitenweise mit klein gedrucktem Text vollgeschrieben. Sofort kamen Anrufe von Kollegen, die an diesem Tag nicht im Büro waren, wir seien doch nicht ganz dicht. Ein Blick in die Nutzungszahlen zeigte jedoch: Auch diese Darstellungsformen wurden von den Usern gut angenommen und keineswegs verschmäht. Mehr zum Experiment könnt ihr auf dem Blog vom Media Lab Bayern lesen.
Das Fazit des Projekts war für mich eine erneute Bestätigung meiner festen Überzeugung: Es lohnt sich immer, zu experimentieren. Dabei sollte man stets über den eigenen Tellerrand gucken und auch Dinge ausprobieren, an die man selbst nicht glaubt. Besonders auf Social-Media-Plattformen existieren viele ungeschriebene Regeln, die von Experte zu Experte immer weitererzählt werden, die so logisch klingen, dass sie niemand hinterfrage. Ein Beispiel: Die Videolänge, die auf keinen Fall die 60-Sekunden-Marke überschreiten sollte. Trotz hunderter Gegenbeispiele und widersprechenden Statistiken (die durchschnittliche Länge erfolgreicher Videos bewegt sich derzeit bei über drei Minuten), hält sich dieser Mythos hartnäckig. Dabei ist gerade dieser kreative Bereich, seine Plattformen und vor allem seine Nutzer so unterschiedlich, dass man sich mit solchen selbst auferlegten Regeln nur selbst schadet.
Bleibt neugierig und probiert viel aus!